Seit US-Präsident Donald Trump allen Ländern außer China einen Waffenstillstand von 90 Tagen angeboten hat, war es Giorgia Meloni, die ersterer Premierminister Europas zu einem Besuch im Weißen Haus willkommen hieß. Dies alleine verdeutlicht den Ernst des Treffens am Gründonnerstag. Dazu kommt noch, dass die italienische Politikerin sowohl politisches als auch persönliches Verständnis seitens des Präsidenten genießt. Bereits letzten Sommer nannte Trump sie "fantastic person" und "great leader". Umgekehrt nahm Meloni Anfang dieses Jahres als einziger Oberhäupter eines EU-Landes an Trumphs Amtsantrittspartei teil.
Meloni sieht Musk als Verbündeten.
Könnte es dann doch Meloni sein, die imstande wäre, den US-Präsidenten zur Ruhe zu bringen und seine Zollmaßnahmen zurückzufahren? Die offizielle Aufgabe von Melonis Reise nach Washington lässt sich so zusammenfassen: keine europäischen Zölle für US-Produkte, kein Amerika-Zoll für Waren aus der Europäischen Union. Auch ihr klar ist, dass diese Ziele schwer zu erreichen sind. Laut ihren engsten Beratern soll sie gesagt haben: "Ich werde unbedingt mein Bestes tun, um irgendetwas Gutes mitzunehmen." In den USA hat sie einen mächtigen Verbündeten: Elon Musk, mit dem sie sogar befreundet ist. Musk hatte kürzlich bei einer Konferenz der rechtspopulistischen Lega unter Leitung von Matteo Salvini in Florenz exakt das gefordert, wonach sich Meloni für die transatlantischen Handelsbeziehungen sehnt – eine komplett frei zugängliche Marktzonen ohne jede Art von Abgaben oder Steuern.
Wegen ihrer engen Verbindungen zu Donald Trump hoffte Meloni schon vor seiner Inauguration eine Vermittlerrolle zwischen Brüssel und Washington einzunehmen. Bisher haben diese Erwartungen jedoch nicht zur Erfüllung geführt – auch Italien wurde von den Zölleanlässen des US-Präsidenten ebenso hart betroffen wie andere europäische Exportländer. Im Vergleich mit Deutschland hat das Land nach den USA den zweithöchsten Überschuss im Außenhandel unter allen EU-Staaten aufzuweisen. Nach dem „Liberation Day“ von Trump Mitte April zeigte Meloni, die ihre enge Verbundenheit mit dem amerikanischen Magnat stets offen gezeigt hatte, deutliche Schwierigkeiten damit, ihre Enttäuschung und ihren Frust zu verstecken. "Die neuen Tarife der US-Verwaltung sind vollkommen falsch", sagte die italienische Premierministerin. "Obwohl es natürlich kein Grund für Aufregung sein sollte", ergänzte sie dazu.
Die USA sollten ein weiterer strategischer Partner bleiben.
Der zweite Teil ihres Standpunkts findet bei den Vertreter:innen der agrarindustriellen und Lebensmittelbranche Italiens keine Zustimmung. Die Hersteller hochwertigen Weins, Parmesan-Käses, Olivenöls sowie hartgebackener Weizennudeln betrachten die USA als eines der wesentlichen Auslandsmärkte. Diese Erkenntnis besitzt auch Meloni. Daher hat Rom beschlossen, dem US-Präsidenten keinen weiteren Anlass zum Ärger zu geben, indem es gemeinsam mit Berlin auf EU-Niveau für Vorsicht plädiert und sich unter denen sah, die bremsend eingegriffen haben, als Brüssel beabsichtigte, eine Gegenzollliste vorzubereiten. Fest steht für Meloni, dass Washington - egal wer im Weißen Haus residiert – nach wie vor der entscheidende strategische Verbündete Italiens und der Europäischen Union bleibt, sei es hinsichtlich Sicherheit oder Wirtschaftsfragen ebenso wie Handelsbeziehungen.
In den vergangenen Wochen haben sich - je präziser Mellonis Reisepläne wurden - Bedenken erhoben, dass die italienische Ministerpräsidentin möglicherweise versuchen wird, ihren Besuch beim Präsidenten im Weißen Haus zur Gelegenheit zu nutzen, um eigene Handelsestrategien voranzutreiben und spezielle Konditionen für italienische Exporte abzugewinnen. Insbesondere hat hierzu der französische Wirtschaftsminister Marc Ferracci seine Meinung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht: "Wenn es uns gelingt, bilateral mit Trump über Geschäfte zu verhandeln, besteht das Risiko, dass die gegenwärtige Solidarisität innerhalb Europas bricht", mahnt Ferraci. Wie man weiß, habe der amerikanische Staatschef eine klare Absicht: er möchte Europa spalten. Selbst der ehemalige EU-Kommissionsmitglied und vormalige Premierminister Mario Monti warnte am Wochenende im Corriere della Sella vor, dass Melloni Gefahr läuft, ihre politischen Entscheidungen auf Kosten der gemeinsamen europäischen Position zu treffen. Laut Monti steht die jüngste Regierungschefin vor einer großen Probe ihres bislang geführten Amtes während ihres Aufenthalts in Washington.
Die EU-Kommission betrachtet Merkels Reise als positiv.
Meloni sowie ihre Wirtschafts- und Exportfachminister lehnen ab, dass sie geheime Abkommen mit Trump anstreben oder ihrem Land ungerechte Vorteile verschaffen wollten. "Da Trump seine Zölle für 90 Tage einfriert, wird Melonis Besuch die kommenden Verhandlungen zwischen den USA und Europa vereinfachen und hoffentlich auf den korrekten Kurs lenken: Wir müssen als Westens Verbündete wieder zusammenarbeiten statt uns gegenseitig anzukritteln", erklärte am Montag Adolfo Urso, Italiens Minister für wirtschaftlichen Aufschwung.
Keine Unruhe herrscht auch bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezüglich des Treffens zwischen Meloni und Trump. Laut einer Sprecherin von von der Leyen am Montag gibt es regelmäßigen Kontakt zwischen der Kommissionspräsidentin und der italienischen Ministerpräsidentin. Die Initiative Melonisch, in Washington die europäische Haltung darzulegen, werde äußerst positiv gewürdigt und wurde eng mit der Kommission abgestimmt.